Park und Genossenschaftsgarten, öffentlicher und privater Raum, Spiel und Ruhe, Biodiversität und intensivste Nutzung, ein Ort der Geschichte und ein Stadtraum der Zukunft: Diese Widersprüche sollte der kleine Grünraum im dichten Kern von Neuchatel auf kleiner Fläche vereinen.
Bis 1995 standen in dem beschaulichen Quartier Neuchâtels zwischen der Altstadt und dem Bahnhof Gewächshäuser und Anzuchtbeete der Stadtgärtnerei. Die warme, südexponierte Hanglage liess hier die Pflanzen für die Stadt gedeihen. Ab 1996, nach der Schliessung, verfielen die Gewächshäuser und Beete, wild wachsende Götterbäume nahmen den Ort ein. Verschiedene Versuche, das Grundstück an bester Lage gewinnbringend zu bebauen, scheiterten am Widerstand der Bevölkerung. Realisiert wurde schliesslich eine Kombination aus Genossenschaftswohnraum und öffentlichem Park von hohem ökologischem Wert. Die Gärtnereibrache ist zum öffentlichen Gemeinschaftsgarten mit südlicher Atmosphäre geworden.
An Stelle der alten Gewächshäuser sollten drei Elemente entstehen: ein genossenschaftlicher Wohnbau, ein offener Pflanzgarten für die Genossenschaft und die Nachbarschaft und ein öffentlicher Park mit Spielmöglichkeiten. Erwartet wurde eine hinsichtlich Ökologie, Biodviersität, Mobilität, Stadtentwicklung und sozialer Integration zukunftsweisende Lösung. Die Herausforderung des Projekts lag darin, das umfassende Anforderungspaket auf kleinem Raum und in einer anspruchsvollen Hangsituation unterzubringen.
Das Projekt löst die multiplen Anforderungen an die kleine Fläche über eine multidimensionale – räumliche, zeitliche und inhaltliche – Überlagerung: Gestalterisch ist der Parc des anciennes serres ein Palimpsest. Die Grundstrukturen alter Gewächshäuser wurden mit einem städtischen, extensiven Obstgarten überlagert. Er baut auf Formen, Elementen und auf der pragmatischen Ästehtik der früheren, intensiven Produktion auf. Die Gestaltung überschreibt die Geschichte und nimmt doch Bezug zu ihr.
Typologisch ist der Ort ein Tausendsassa: Elemente von Park, Platz, Obstgarten, Gemeinschaftsgarten und Spielplatz schichten und fügen sich zum funktionierenden und offenen städtischen Freiraum. Gestaltung, Zonierung und die Präsenz der Menschen geben die nötigen Signale für ein respektvolles Miteinander und machen Abgrenzungen unnötig. Auch in der zeitlichen Dimension arbeitet der Garten mit Überlagerung: Morgens und Nachmittags vornehmlich Kinderspielplatz, wird er Mittags primär zum Pausenplatz, abends vor allem ruhiger Genossenschaftsgarten und ist manchmal alles zugleich. Die Nutzung des Gartens wird von der Gemeinschaft situativ ausgehandelt.
Details, die aus dem Kontext und aus menschlichen Erfahrungen schöpfen, machten aus dem funktionalen, öffentlichen Raum einen spezifischen, einzigartigen Ort. Das Gebäude ordnet sich in den Freiraum ein, es fasst den Park seitlich, während eine Trockenmauer mit Spalierobst seinen Rücken bildet. Das Baumdach besteht aus seltenen alten Obstsorten, die Früchte stehen allen zur Verfügung.
Ein blühendes Wiesenbord, Sitzgelegenheiten unter Bäumen, ein Sand- und Felsspielplatz und nicht zuletzt die in den Kiesboden gestreuten Glasperlen, die regelmässig nachgestreut werden, bilden zugleich den Park und den unsichtbaren Entdeckerspielplatz. Unsichtbar, weil hier der gesamte Park zur anregenden Spielfläche wird, statt Spielort und -art einzugrenzen.
Die linearen Strukturen der Gewächshäuser gaben die Grundform der Anlage vor. Konkret waren die Anzuchtbeete Inspiration für die neuen Beete, die der Genossenschaft und dem Quartier zur Verügung stehen. Für die umweltschonende Bewässerung der gesamten Anlage sorgt eine Zisterne, die das Meteorwasser des Baukörpers sammelt.
In einem umfassenden Partizipationsprozess entwickelten die Behörden mit der Bevölkerung und den Interessengruppen das übergreifende Leitbild. Obwohl Park, Genossenschaftsgarten und Gebäude eigenständige Projekte waren, entwickelte das Planerkollektiv die Räume auf Basis des Leitbilds projektübergreifend in engster Zusammenarbeit. So erhielten unterschiedliche Ziele eine gemeinsame Form, die mehr ist als die Summe der Einzelteile. Möglich machte das auch der ungewöhnliche Schulterschluss zweier Landschaftsarchitekturbüros – ORT und égü.
Fotos: Sophie Stieger