Aus einem Familiengartenareal im Berner Stadtteil Holligen, einem Konglomerat privater Paradiese, sollte ein Park für Alle werden. Das war die Abmachung, als es um die umstrittene Entwicklung der Fläche ging: Ein Teil des Areals, die heutige "Huebergass", wurde mit genossenschaftlichen Wohnungen bebaut, im Gegenzug erhielt das freiraumarme Quartier auf der verbleibenden Fläche einen Stadtteilpark. Vor dem eigentlichen Park entstand der Vorpark: ein freiräumliches Experimentierfeld für die Quartierbewohnerschaft. Die Erkenntnisse daraus sind ebenso in die Parkgestaltung eingeflossen wie die Strukturen des Umfelds und die Landschaftsgeschichte des Standorts.
Statt, wie üblich, die bauliche Entwicklung und die Gestaltung des öffentlichen Raums zu trennen, wurden in Holligen die genossenschaftliche Wohnbebauung und der öffentliche Park als zusammengehöriger Wettbewerb ausgelobt. Das ungewöhnliche Vorgehen ermöglichte einen weit über die Grenzen des Perimeters hinaus gedachtes Projekt – ein Stück "grünen Städtebau" und eine sozialräumlich konzipierte Parkgestaltung.
Die Chance des grossen Wurfs erforderte zu Beginn grundlegende Entscheidungen: Wie stehen Wohngasse und Park zueinander, wie der Park zu den angrenzenden Quartieren, zur Landschaft und zum Schloss Holligen mit seinen Freiräumen jenseits der Strasse? Wie weit ist Park gestalteter Ort für die breite Öffentlichkeit, wie weit ein robuster Rahmen für die Mitgestaltung und Veränderung durch die Quartierbewohnerschaft?
Die Antworten auf diese Fragen schlugen sich in entschiedenen städtebaulichen Gesten nieder. Am Rande das Areals, im Anschluss an die Wohnquartiere, entstand die Huebergass: eine Wohngasse, die beidseits von den Genossenschaftshäusern flankiert ist und sich mit den Balkonen und gemeinschaftlichen Flächen klar nach innen orientiert. Diese Dichte ermöglichte auf der verbleibenden Fläche einen grosszügigen, zusammenhängenden Park, der sich in die andere Richtung öffnet: zum Schloss, zu den Nachbarquartieren und zur Landschaft.
Die südlichen Gebäude der Huebergass wurden zum Rückgrat des Parks, der Park zur attraktiven Aussicht und natürlichen Klimaanlage für die Wohnungen. Die Gasse ist Ort der Gemeinschaft, der Park Raum für die Öffentlichkeit. Diese Klarheit gibt auch den wenigen Schnittstellen zwischen Park und Gasse Kraft. Gerade weil Öffentlichkeit und Anwohnerschaft nur an wenigen Orten aufeinandertreffen, werden diese Übergangsräume zu Kondensationspunkten des Lebens und der Begegnung mit starker Ausstrahlung.
Grundgedanke der Gestaltung war angesichts des Freiraumbedarfs im Umfeld der "lernende Park", in dem die Mitgestaltung durch die Nutzerschaft Teil des Konzepts ist. Nach der Fertigstellung der Wohngasse entstand zunächst der Vorpark: ein Experimentierfeld für die Nachbarschaft mit minimaler Struktur. Die Bäume blieben bestehen, die Familiengärten wurden aufgelöst, mit dem Aushub der Baustelle Huebergass wurden zwei Spielhügel aufgeschüttet.
In einem moderierten Aneignungsprozess war hier fast drei Jahre lang Raum zum Gärtnern und Grillieren, für Spiel, Sport und Veranstaltungen, zum Bauen und Basteln. In enger Zusammenarbeit zwischen Quartiervertreterinnen, Nutzern, Planerinnen und der Bauherrschaft wurde getestet, verworfen, optimiert. Die Erfahrungen daraus – Bedürfnisse der Nutzerschaft, Möglichkeiten und Grenzen der Partizipation im Park, aber auch konkrete Elemente wie etwa das bunt bemalte WC-Häuschen, der Feuer-Ring, eine Grillstelle, die aus der Nutzung heraus optimiert wurde, oder die Baracke für die Jugendarbeit – flossen in die definitive Parkgestaltung ein.
Der Park, der nun, im Resultat, so selbstverständlich erscheint, ist die elaborierte Verwebung ganz unterschiedlicher Räume und Gegebenheiten, die im an diesem Ort zusammentreffen: Das Bindeglied zwischen dem Schloss Holligen im Süden und den Wohnquartieren im Norden ist die "Parkachse": Die erhöhte Promenade ist die zentrale Achse durch den Park – und Fortführung der Freiraumachse des Schlosses Holligen. Unter uralten Platanen, die, von ihrem Unterwuchs befreit, wieder in ihrer ganzen Schönheit zur Geltung kommen, führt der Weg zu einem kleinen Platz mit Café an der Schnittstelle zur Huebergass und zum angrenzenden Quartier. Der Weg grenzt auch die der beiden Parkteile voneinander ab: den Park Ost auf Höhe der Promenade, in dem im Schatten von Gehölzen der Jugendtreff und verschiedenste Sportangebote liegen; und den tiefer liegenden Park West, den "klassischen" Parkteil.
Das Herz des Parks West ist, ganz im Geist des Volksparks, die offene Spielwiese. Die leicht schiefe Ebene macht sich die Geschichte der ehemaligen Riedlandschaft zunutze: Für die Promenade und die Strassen wurden bei deren Bau Dämme aufgeschüttet, da Riedboden für solche Lasten nicht tragfähig genug ist. So liegt der heutige Park leicht unter dem Niveau der Erschliessungen. Diese feine Topografie blendet nicht nur den Verkehr aus, sondern gibt dem Parkraum auch eine schöne räumliche Tiefe. Am niedrigsten Punkt des Parks, an der Grenze der neuen Wiese zur alten, erhöhten Promenade, liegt das Wasserbecken. Die Sitzstufen an seinem Rand nutzen und überwinden die Böschung der Promenade.
Zwei grüne Bänder und darin integriert ein Rundweg greifen von hier aus um die zentrale Wiese: Das "Parkband" mit zahlreichen Gehölzen, mäandrierenden Wegen und Sitzgelegenheiten bietet sich auf der Seite der Huebergass für ruhige Nutzungen an; das "Spielband" gegenüber ist eine ökologisch wertvolle Wildhecke, von einem Betonsteg erschlossen und von verschiedenen Spiel-Räumen, Gartenzimmern, kleinen Plätzen durchsetzt, die sich mit der Nutzung entwickeln dürfen. Am Übergang zur Huberstrasse verbinden sich die Wege zum Rundweg, die "Kanzel" bietet hier mit ihrer Sitzmauer und den Kiesflächen einen Treffpunkt mit Überblick über den Park. Platanen an der Strasse beschatten die Kanzel und nehmen das Baumthema der Promenade wieder auf.
Die Grundstruktur aus Vorgefundenem und Neuem bildet das Skelett des Parks, der Pfad der Trouvaillen erzählt von seiner jüngeren Geschichte. Er führt an Einzigartigem und Eigenartigem vorbei, das sich in der Vorparkphase gesammelt und als brauchbar für die Zukunft erwiesen hat: von der optimierten Grillstelle bis zu selbstgebauten Möbeln aus dieser Phase.
Seinen eigenständigen Charakter zieht der Stadtteilpark Holligen gerade daraus, dass er sein Umfeld einbezieht: Er will nicht Ikone sein, sondern vielmehr Teil und Schnittmenge seiner Umgebung. Ein Ort von kraftvoller Identität – die nicht durch Neuerfindung entsteht, sondern durch das innovative Zusammenführen und Ergänzen bestehender Strukturen zu einem neuen Bild und einem neuen Typus städtischen Freiraums: dem lebenslang lernenden Park. Denn auch der fertige Park lässt Platz für Wandel, neue Bedürfnisse und Mitwirkung. Er ist der ökologisch und stadträumlich wertvolle Rahmen für Nischen mit veränderlichen Inhalten und Nutzungen. Die Stadt und der Quartierverein werden den weiteren Prozess moderieren.
Zu den Hasen auf der Hochparterre-Website
Projektinformationen auf der Website der Stadt Bern
Zum Projekt Huebergass
Fotos: Soweit in der Bildunterschrift nicht anders genannt: Thomas Haug